Das Denken lernen wir, indem wir auf das achten, was es zu bedenken gibt.
Unsere Sprache nennt z. B. das, was zum Wesen des Freundes gehort, das Freundliche. Dementsprechend nennen wir jetzt das, was in sich das zu-Bedenkende ist: das Bedenkliche. Alles Bedenkliche gibt zu denken.
Aber es gibt diese Gabe immer nur insoweit, als das Bedenkliche von sich her schon das zu-Bedenkende ist.
Wir nennen jetzt und in der Folge dasjenige, was stets, weil einsther und allem voraus, zu bedenken bleibt: das Bedenklichste. Was ist das Bedenklichste? Wie zeigt es sich in unserer bedenklichen Zeit?
Das Bedenklichste ist, dajJ wir noch nicht denken; immer noch nicht, obgleich der Weltzustand fortgesetzt bedenklicher wird. Dieser Vorgang scheint freilich eher zu fordern, daB der Mensch handelt und zwar ohne Verzug, statt in Konferenzen und auf Kongressen zu reden und sich im bloBen Vorstellen dessen zu bewegen, was sein sollte und wie es gemacht werden mtiBte. Somit fehlt es am Handeln und keineswegs am Denken.
Dnd dennoch -vielleicht hat der bisherige Mensch seit Jahrhunderten bereits zu viel gehandelt und zu wenig gedacht. Aber wie kann heute jemand behaupten, daB wir noch nicht denken, wo doch tiberall das Interesse ftir die Philosophie rege ist und immer lauter wird, wo beinahe jedermann wissen will, was es denn mit der Philosophie auf sich hat. Die Philosophen sind �die� Denker. So heiBen sie, weil sich das Denken eigentlich in der Philosophie abspielt.
Niemand wird bestreiten wollen, daB heute ein Interesse ftir
die Philosophie besteht. Doch gibt es heute noch etwas, woftir der
Mensch sich nicht interessiert, in der Weise namlich, wie er das
�interessieren� versteht?
Inter-esse heiBt: unter und zwischen den Sachen sein, mitten
in einer Sache stehen und bei ihr bleiben. Allein ftir das heutige
Interesse gilt nur das Interessante. Das ist solches, was erlaubt, im
nachsten Augenblick schon gleichgtiltig zu sein und durch ande
res abgelost zu werden, was einen dann ebensowenig angeht wie
Erste Stunde
das Vorige. Man meint heute oft, etwas dadurch besonders zu wtirdigen, daB man es interessant findet. In Wahrheit hat man durch dieses Urteil das Interessante bereits in das Gleichgtiltige und alsbald Langweilige abgeschoben.
DaB man ftir die Philosophie ein Interesse zeigt, bezeugt noch keine Bereitschaft zum Denken. GewiB gibt es allenthalben eine ernsthafte Beschaftigung mit der Philosophie und ihren Fragen. Es gibt einen rtihmenswerten Aufwand von Gelehrsamkeit zur Erforschung ihrer Geschichte. Hier bestehen ntitzliche und lobliche Aufgaben, zu deren Erftillung nur die besten Krafte gut genug sind, zumal dann, wenn sie uns Vorbilder groBen Denkens vor Augen ftihren. Aber selbst die Tatsache, daB wir uns Jahre hindurch mit den Abhandlungen und Schriften der groBen Denker eindringlich abgeben, leistet noch nicht die Gewahr, daB wir seIber denken oder auch nur bereit sind, das Denken zu lernen. 1m Gegenteil: die Beschaftigung mit der Philosophie kann uns sogar am hartnackigsten den Anschein vorgaukeln, daB wir denken, weil wir doch unablassig �philosophieren�.
Gleichwohl bleibt es befremdlich und erscheint als anmaBend zu behaupten, das Bedenklichste in unserer bedenklichen Zeit sei, daB wir noch nicht denken. Darum mtissen wir diese Behauptung beweisen. Noch ratsamer ist indessen, die Behauptung erst einmal zu erlautern. Es konnte namlich der Fall eintreten, daB
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die Forderung nach einem Beweis hinfallig wird, sobald eine geniigende Helle in das kommt, was die Behauptung sagt. Sie lautet:
Das Bedenklichste in unserer bedenklichen Zeit ist, dajJ wir noch nicht denken.
Wie der Name �das Bedenkliche� zu verstehen sei, wurde bereits angedeutet. Es ist das, was uns zu denken gibt. Beachten wir es wohl und lassen wir jetzt schon jedem Wort sein Gewicht. Es gibt solches, was seIber, von sich her, gleichsam von seinem Haus aus, uns zu denken gibt. Es gibt solches, das uns daraufhin anspricht, daB wir auf es 'bedacht sind, daB wir, denkend, ihm uns zuwenden: es denken.
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Das Bedenklichste ist, dajJ wir noch nicht denken; immer noch nicht, obgleich der Weltzustand fortgesetzt bedenklicher wird. Dieser Vorgang scheint freilich eher zu fordern, daB der Mensch handelt und zwar ohne Verzug, statt in Konferenzen und auf Kongressen zu reden und sich im bloBen Vorstellen dessen zu bewegen, was sein sollte und wie es gemacht werden mtiBte. Somit fehlt es am Handeln und keineswegs am Denken.
Dnd dennoch -vielleicht hat der bisherige Mensch seit Jahrhunderten bereits zu viel gehandelt und zu wenig gedacht. Aber wie kann heute jemand behaupten, daB wir noch nicht denken, wo doch tiberall das Interesse ftir die Philosophie rege ist und immer lauter wird, wo beinahe jedermann wissen will, was es denn mit der Philosophie auf sich hat. Die Philosophen sind �die� Denker. So heiBen sie, weil sich das Denken eigentlich in der Philosophie abspielt.
Niemand wird bestreiten wollen, daB heute ein Interesse ftir
die Philosophie besteht. Doch gibt es heute noch etwas, woftir der
Mensch sich nicht interessiert, in der Weise namlich, wie er das
�interessieren� versteht?
Inter-esse heiBt: unter und zwischen den Sachen sein, mitten
in einer Sache stehen und bei ihr bleiben. Allein ftir das heutige
Interesse gilt nur das Interessante. Das ist solches, was erlaubt, im
nachsten Augenblick schon gleichgtiltig zu sein und durch ande
res abgelost zu werden, was einen dann ebensowenig angeht wie
Erste Stunde
das Vorige. Man meint heute oft, etwas dadurch besonders zu wtirdigen, daB man es interessant findet. In Wahrheit hat man durch dieses Urteil das Interessante bereits in das Gleichgtiltige und alsbald Langweilige abgeschoben.
DaB man ftir die Philosophie ein Interesse zeigt, bezeugt noch keine Bereitschaft zum Denken. GewiB gibt es allenthalben eine ernsthafte Beschaftigung mit der Philosophie und ihren Fragen. Es gibt einen rtihmenswerten Aufwand von Gelehrsamkeit zur Erforschung ihrer Geschichte. Hier bestehen ntitzliche und lobliche Aufgaben, zu deren Erftillung nur die besten Krafte gut genug sind, zumal dann, wenn sie uns Vorbilder groBen Denkens vor Augen ftihren. Aber selbst die Tatsache, daB wir uns Jahre hindurch mit den Abhandlungen und Schriften der groBen Denker eindringlich abgeben, leistet noch nicht die Gewahr, daB wir seIber denken oder auch nur bereit sind, das Denken zu lernen. 1m Gegenteil: die Beschaftigung mit der Philosophie kann uns sogar am hartnackigsten den Anschein vorgaukeln, daB wir denken, weil wir doch unablassig �philosophieren�.
Gleichwohl bleibt es befremdlich und erscheint als anmaBend zu behaupten, das Bedenklichste in unserer bedenklichen Zeit sei, daB wir noch nicht denken. Darum mtissen wir diese Behauptung beweisen. Noch ratsamer ist indessen, die Behauptung erst einmal zu erlautern. Es konnte namlich der Fall eintreten, daB
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die Forderung nach einem Beweis hinfallig wird, sobald eine geniigende Helle in das kommt, was die Behauptung sagt. Sie lautet:
Das Bedenklichste in unserer bedenklichen Zeit ist, dajJ wir noch nicht denken.
Wie der Name �das Bedenkliche� zu verstehen sei, wurde bereits angedeutet. Es ist das, was uns zu denken gibt. Beachten wir es wohl und lassen wir jetzt schon jedem Wort sein Gewicht. Es gibt solches, was seIber, von sich her, gleichsam von seinem Haus aus, uns zu denken gibt. Es gibt solches, das uns daraufhin anspricht, daB wir auf es 'bedacht sind, daB wir, denkend, ihm uns zuwenden: es denken.
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